Bier Unikate aus Tirol.

Zeigt her euer Lächeln – Tart-Bier alias Sauerbier 3.0

Zeigt her euer Lächeln – Tart-Bier alias Sauerbier 3.0
23. Juli 2020 Lisa Luginger

Zuerst einmal das Wichtigste: Sauerbier ist nicht gleich Sauerbier. Das liegt an Stil und Machart und ist ein Thema für sich (dem wir uns hier sicher baldigst widmen). Leider wird vielen modernen Interpretationen auch der Begriff Sauerbier nicht gerecht. Das hat zur Folge, dass sich nicht jeder klassische Biertrinker an ein Getränk traut, von dem er entweder denkt, es sei „nicht gut“ oder aber es verzieht ihm so das Gesicht, dass man erst einmal gar nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Beides ist ganz klar falsch. 

Zwar gibt es die wirklich sauer-sauren Biere; Exemplare aus belgischen Traditionsbrauereien, die wir selbst horten und nur zu ganz besonderen Anlässen öffnen. Oder Flaschen, von denen manche erst über die Jahre ihre ganze (saure) Eleganz und ihre geschmackliche Ausstrahlung entwickeln, so wie man es auch von schweren Weinen kennt. Ein paar reifen gar bei uns in Fässern vor sich hin. Doch die sind heute hier nicht Thema. 

Was ist ein Tart-Bier?

Hier geht’s um Sauerbier 3.0. Sauerbier für Jedermann. Wir nennen es Tart-Bier. Hat nichts mit dem französischen Kuchen zu tun. Tart ist der englische Begriff, für den es im deutschen keine schönen Worte gibt: Säuerlich. Leicht sauer. Sauer angehaucht. Ein Touch von sauer. Eben nicht richtig sauer, sondern nur ein kleines bisschen sauer. Weg mit sauer. Her mit tart. 

Klassisches vs Tart-Bier. In diesem Fall Helles vs Flamingo Tears aus dem Jahre 2016 – unser erstes Tart-Bier.

Im Grunde genommen kann jeder Stil tart interpretiert werden. Bei Bierol zum Beispiel wurde zum ersten Mal 2016 ein Tart-Bier gebraut. “Flamingo Tears” hieß das damals- eine fruited India Gose mit Blutpfirsich und Meersalz. Fruchtig und wie wir damals so oft gehört haben, wahnsinnig erfrischend. Schnell wurde sich Flamingo Tears sogar als Special-Hochzeitsbier gesichert. Danach folgten ähnlich namens- und stilwahnsinnige Biere wie „Oh my god it’s Marühn“, „Safer Sex“, die „MK Ultra“ Serie und „Moosberliner“, eine Berliner Weisse mit Moosbeeren. Man sieht: Frucht und Säure war und is so a bissl a Bierol-Ding. (Und wirds wohl auch in Zukunft sein). Das hat seinen Grund. Es passt einfach echt guad zam. 

Wie wird ein Tart-Bier eigentlich sauer?

Im Gegensatz zu oben beschriebenen, richtig sauren Bieren, die oft in Holzfässern reifen, werden Tart-Biere anders hergestellt. Entweder im sogenannten Kettle souring, bei dem der Würze während des Brauprozesses Milchsäurekulturen hinzugefügt werden, die innerhalb von 24 bis 48 Stunden ganz natürlich Säure bilden und dadurch den pH-Wert senken. Ein klassisches Bier, zum Beispiel unser Schwoicher Helles, hat einen pH-Wert von 4,2. Ein Kettle Sour, bewegt sich in Schwoich zwischen 3,8 und 3,4. Als Faustregel gilt: Je niedriger der pH-Wert, desto saurer das Bier. 

Hefe ist nicht gleich Hefe. Und das macht den Unterschied.

The next big thing namens PhillySour

Oder aber – und jetzt wird’s richtig interessant, denn das ist wirklich weltweit ganz neu: Das Bier bekommt seine Säure durch eine einzigartige Hefe. Im Juni 2020 hat das kanadische Unternehmen Lallemand, das sich mit allem rund um Bakterien und Co. beschäftigt, eine Hefe namens Wildbrew Philly Sour präsentiert. Man munkelt, es könnte sich hier um eine kleine Revolution in der modernen Sauer- äh Tart-Bierherstellung handeln. Denn nicht wenige Brauereien scheuen sich vor Milchsäurebakterien in der Produktion- könnten diese doch theoretisch auf andere Biere überspringen. Und dann wird das klassische Märzen plötzlich sauer. Ohje. 

Die PhillySour Hefe aber produziert während der Hauptgärung neben Ethanol moderate Mengen an natürlicher Milchsäure. Deshalb zeigt dieser Stamm auch großes Potenzial als Alternative zu Bakterien für kleinere und größere Brauereien, da einzigartige säurebetonte Biere durch einen klassischeren Brauprozess hergestellt werden können. 

Hefe, die Säure bildet? Ja, bitte! Aber nicht immer.

Verschwitzte Sportsocken??

Die Hefe selbst wurde aus der Natur von einem Team rund um Dr. Mathew Farber, Direktor des Brewing Science Certificate Program an der University of Science in Philadelphia (USA), isoliert. Bei der Präsentation spricht Farber von einer „Herzenssache“. Und beschreibt neben den vielen Vorteilen auch noch den für ihn Wichtigsten, den guten Geschmack. „Wer würde sich für eine Hefe interessieren, die zwar zu lustigen Dingen fähig ist, aber ein Bier produziert, das nach verschwitzen Sportsocken schmeckt?“ 

Und weil Bierol auf gut schmeckende Biere steht, musste PhillySour natürlich sofort ausprobiert werden. Das Ergebnis ist im Sourwan zu finden. Einem tart Pale Ale auf Padawan Basis. Die von Farber hoch gelobten Fruchtaromen der Hefe (Pfirsich und Steinobst) finden auch wir im Sourwan, dazu die Hopfigkeit und eine wirklich sehr , sehr angenehme, feine Säure. 

Das bringt einem definitiv ein Lächeln auf die Lippen, statt dass es uns das Gesicht verzieht. Fortsetzung folgt sicher. 

Von Lisa Luginger